„Gärten des Grauens“ ist ein Projekt des Biologen Ulf Soltau und prangert die zunehmende Flächenversiegelung und Verschotterung in deutschen (Vor-)Gärten an. Am absurden Foto-Beispiel – und davon gibt es offenbar unendlich viele – macht er auf die Lebensfeindlichkeit der mit Kies, Stein und Schotter „gestalteten“ Gartenflächen aufmerksam, die in Zeiten des massenhaften Insektensterbens ungefähr so brutal deplatziert sind wie SUVs im Klimawandel.

Hier der Text für alle, die nicht bei Facebook sind, als Zitat:

„Aber die sind vielleicht alt und gebrechlich.“

Immer wieder erreicht uns die Kritik, wie unsensibel unsere Gartenverrisse gegenüber den Besitzern der von uns abgeurteilten Schotterwüsten seien. Wir würden ja die Hintergründe, die zu der Wahl eines Schottergartens führten, zumeist überhaupt nicht kennen. Die Besitzer seien möglicherweise alt und gebrechlich, oder anderweitig körperlich eingeschränkt. Sie seinen halt nicht mehr fit genug und im Stande einen Garten zu bewirtschaften und fänden im Schottergarten einfach eine pflegeleichte Alternative.

Dem möchten wir Folgendes entgegen halten:

Noch nie in der demografischen Entwicklung Deutschlands war der Altersdurchschnitt so hoch, wie heute. Dank unseres medizinischen Fortschritts war es alten Menschen in unserer Geschichte aber auch noch nie in dem Ausmaße vergönnt, wie heute, bis ins hohe Alter gesund und körperlich fit zu bleiben. 75 Jahre galten früher einmal als biblisches Alter. Mit 80 Jahren galt man als Greis. Heute sieht man den meisten Menschen dieses Alters ihre Jahre kaum mehr an. Dieser erfreulichen Entwicklung steht die epidemische Zunahme von Schottergärten aber überraschenderweise diametral gegenüber. 

Doch selbst wenn das Schicksal einem nicht so wohl gesonnen ist und das Siechtum im Alter das Leben erschwert, so ist das aus unserer Sicht noch lange kein Grund, den Gram über seine schwindende Schaffenskraft auf seinen Garten zu projizieren, oder dem nachbarschaftlichen Druck, einen unkrautfreien Garten vorweisen zu können, nachzugeben und selbigen einfach unter Tonnen von vermeintlich pflegeleichten Granitschotter zu begraben. Auch früher wurden Menschen alt und ihre Kräfte ließen nach – Schottergärten waren dennoch unbekannt. 
Man mag dem entgegen halten, dass es früher engere Familienbande gab, Mehrgenerationen-Haushalte, in denen die Kinder und Enkel die Gartenpflege übernahmen. Heute hingegen wohnten viele Menschen der Großeltern-Generation allein und zurückgelassen auf dem Land, während die Jungen ein Eigenheim im Nachbarort, oder karrierebedingt eine Mietwohnung in der großen Stadt bezögen.

Doch wer deswegen den einsamen Großeltern in Zeiten eines dramatischen Insekten-, Amphibien- und Vogelsterbens zu einem pflegeleichten Schottergarten rät, der gesteht aus unserer Perspektive sein vollkommenes gesellschaftliches Versagen, sowohl in ökologischer, als auch in sozialpolitischer Hinsicht ein. Unsere Antwort auf nachlassende Leistungsfähigkeit einzelner Mitglieder unserer Gesellschaft kann doch nicht lauten, dass der gesellschaftliche Druck, einen gepflegten Garten vorweisen zu können, uneingeschränkt fortbesteht, während wir selbst keinerlei Hilfe anbieten, außer der Empfehlung den eigenen Garten notfalls unter „pflegeleichtem“ Geröll zu beerdigen. 

Wir von GdG möchten dieser gesellschaftlichen Fehlentwicklung eine Alternative aufzeigen. 

Was spricht dagegen, wenn wir körperlich eingeschränkten Menschen (und uns selbst) zugestehen, Gärten einfach verwildern zu lassen? Warum raten wir nicht zu pflegeleichten Kulturbrachen? Warum darf ein alter Garten nicht in Würde zuwuchern und die gleichen Geschichten erzählen, wie die Falten in den Gesichtern seiner Erschaffer? Ein solch wilder Garten böte den Bewohnern nicht nur vitale Lebensfreude im Wandel der Jahreszeiten, er böte unserer Tier- und Pflanzenwelt zudem ein heute dringender denn je benötigtes Refugium. 

Unser Ruf nach Gepflegtheit und Sauberkeit im Vorgarten stammt vermutlich aus den Nachkriegsjahren, einer Zeit der Trümmerfrauen und Schuttberge, in der Deutschland in der Asche seiner völlig verkorksten Vergangenheit lag. Mit einem sauberen Garten hat man sich in den 50er und 60er Jahren gewissermaßen ein sauberes Gewand umgelegt, sich selbst gereinigt von den Sünden und Mordtaten der Vergangenheit. Doch in Anbetracht ausgeräumter Agrarlandschaften und eines nie dagewesenen Artensterbens vor unserer eigenen Haustür, ist der zu Tode aufgeräumte „gepflegte Garten“ in diesem Kontext heute nur noch als ein schrecklicher Anachronismus zu betrachten.

Wir von GdG appellieren an Euch alte, oder körperlich eingeschränkte Menschen, aber auch an alle andern Gartenbesitzer, Nachbarn, Garten-Services und GaLaBauer: 
Habt endlich wieder Mut zur Unordnung im Garten!
Denn Eure vermeintliche Unordnung ist die einzig wahre, lebenserhaltende natürliche Ordnung.

Wir von GdG sagen Ja zum Leben!

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